Immer mehr Hybrid- und Elektrofahrzeuge bevölkern unsere Straßen – und stehen über kurz oder lang vor unseren Werkstatttoren. In Folge 3 von #stromaufwärts geht Continental der Frage nach, welche Voraussetzungen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Servicebetrieben mitbringen müssen, um an Stromern zu arbeiten.
Da gibt es nämlich so einiges zu beachten. Wie bei allen Arbeiten in der Werkstatt sind auch am Hybrid- und E-Auto Ausbildung und Qualifizierung die Grundlage für sicheres und fachlich einwandfreies Arbeiten. Und hier kommt die DGUV ins Spiel, die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung.
Vier Qualifizierungsstufen bei E-Services
Die DGUV hat ein Stufenmodell für Arbeiten an Fahrzeugen mit Elektroantrieb verfasst. Seit Juni 2021 müssen sich Werkstätten an diese Qualifizierungsvorgaben halten. Nur wer sich an diese Regeln hält, ist als Betrieb und Mitarbeiterin oder Mitarbeiter über die Berufsgenossenschaft abgesichert. Kern der DGUV Information 209-093 – so der Name der Richtlinie – ist ein Vier-Stufenplan. Er regelt, für welche Arbeiten am E-Auto welche Qualifizierung notwendig ist. Dazu gehören die Stufen S, 1S, 2S und 3S – wobei „S“ für Serienfahrzeuge steht.
Stufe S – sensibilisierte Person
Scheibenwischerwechsel, Kühlwasser befüllen, das Fahrzeug an die Wallbox anschließen oder die Innenreinigung: Selbst bei einfachen Arbeiten an Hybrid- und Elektrofahrzeugen gilt: Nur „sensibilisierte Personen“ dürfen Hand anlegen. Sensibilisiert ist, wer für das Arbeiten an Stromern unterwiesen ist. Diese Unterweisung, die auch online erfolgen kann, muss durch den Unternehmer oder durch eine Person erfolgen, die eine höhere Qualifizierungsstufe für E-Services besitzt. Das bedeutet konkret: Jede Werkstatt, die an E-Autos arbeitet, muss mindestens eine Person mit Qualifizierungsstufe 1S oder höher beschäftigen!
Hochvolt-Schulungen der Stufe 1S – Arbeiten abseits der HV-Komponenten
Die Stufe 1S benötigen Werkstätten für Tätigkeiten an Fahrzeugen im nicht elektrotechnischen Bereich. Entsprechende Service- und Reparaturarbeiten an einem Fahrzeug mit Hochvoltanlage dürfen nur von „fachkundig unterwiesenen Personen“ (FuP) oder höher qualifizierten Mitarbeitern durchgeführt werden. Voraussetzung ist, dass das Fahrzeug spannungsfrei ist und eine Kollegin oder ein Kollege mit einer höheren Qualifizierungsstufe die Arbeiten beaufsichtigt oder leitet. Das Spektrum der unter der Stufe 1S erlaubten Tätigkeiten beginnt beim Räderwechsel und reicht von der Inspektion nach Herstellerangaben bis zu Tätigkeiten im elektrischen Bereich bis 30 V AC oder 60 V DC. Allerdings dürfen FuP nicht an oder in unmittelbarer Nähe von Hochvolt-Komponenten arbeiten. Wie wird man zur FuP? Mittels externer Schulung oder Unterweisung durch Kollegen der Stufen 2S oder 3S.
Hochvolt-Schulungen der Stufe 2S – Spannungsfrei arbeiten
Hier geht es ans Eingemachte, genauer an das HV-System. „Fachkundige Person für das Arbeiten an Hochvoltsystemen im spannungsfreien Zustand“ – kurz FHV – wird, wer an einer Trainingsmaßnahme teilnimmt, sich prüfen lässt und sein Wissen regelmäßig auffrischt. Die Fachkunde nach 2S besitzen bereits alle Kfz-Mechatronikerberufe, die nach der neuen Ausbildungsverordnung von 2013 ausgebildet wurden. Mit der Qualifizierungsstufe 2S sind selbstständige Arbeiten am gesamten Fahrzeug erlaubt, inklusive Hochvoltsystem. Allerdings muss das Fahrzeug spannungsfrei geschaltet und gegen Wiedereinschalten gesichert sein.
Hochvolt-Schulungen der Stufe 3S – Arbeiten unter Spannung
Wer sich als „fachkundige Person für Arbeiten an unter Spannung stehenden HV-Systemen“ qualifiziert hat, darf sämtliche Arbeiten an Hybrid- und E-Autos durchführen – auch wenn das Fahrzeug nicht spannungsfrei geschaltet ist oder werden kann. Das umfasst auch Arbeiten an unter Spannung stehenden Batterien und das Arbeiten mit höherem Gefährdungspotenzial. Wer die Stufe 3S erreichen will, muss mindestens 18 Jahre als sein, einen aktuellen Erste-Hilfe-Kurs und einen Gesundheitscheck absolviert haben sowie die Stufe 2S besitzen. Voraussetzung ist auch, dass ein Kollege mit Fachkunde nach 1S oder höher zur Seite steht, gleichzeitig ausgebildeter Ersthelfer ist und im Notfall Hilfe leisten kann.
Aufgehorcht: Neben den bekannten Fortbildungseinrichtungen bei technischen Prüforganisationen dürfen nur ausgewählte Unternehmen Hochvolt-Schulungen der Stufe 3S anbieten und durchführen. Wir gehören dazu und haben das gesamte Paket an Hochvolt-Schulungen nach DGUV in unser Schulungsprogramm 2022 aufgenommen.
Strategie bei Hochvolt-Schulungen sichert den Erfolg
Jetzt gleich das komplette Werkstatt-Team für alle Stufen zu qualifizieren ist sicher nicht der Königsweg. Vielmehr ist ein überlegtes Handeln angeraten. Jede Werkstatt sollte sich fragen, welche Qualifizierungsstufen sie wirklich benötigt, etwa ob sich die Qualifizierungsstufe 3S für den Betrieb lohnt. Oft reicht die Fachkunde nach 2S für eine Werkstatt schon aus. In jedem Fall lohnt es sich, Qualifizierungsmaßnahmen der selbstgesteckten E-Service-Strategie anzugleichen. Denn nur ein qualifiziertes Personal sichert zufriedene Kunden und damit auch den unternehmerischen Erfolg. Und E-Auto-Fahrerinnen und -Fahrer sind Kunden, die viel Wert legen auf einen professionellen Service und eine gute Beratung legen – entsprechend sind sie bereit, auch Geld dafür auszugeben.
Ihr habt noch keine E-Service-Strategie? Deshalb haben wir #stromaufwärts ins Leben gerufen. In der nächsten Folge geht es um die ideale E-Kfz-Werkstatt. Stay tuned…
#stromaufwärts: Unsere Serie für Werkstätten zur Elektromobilität
Folge 1: Was erwartet euch in unserer Serie E-Mobilität?
Folge 2: Faktor Technik – Wie ändert sich der Service?
Folge 3: Faktor Mensch – Wie viel Qualifizierung muss sein?
Folge 4: Faktor Werkstatt – Wie sieht die ideale Werkstatt für die Elektromobilität aus?
Folge 5: Faktor Produkte – Welche Produkte benötigen E-Services
Folge 6: Faktor Partner – Wie unterstützen ATE und Continental Werkstätten beim Erschließen des Geschäftsfeldes Elektromobilität?
Folge 7: Faktor Zukunft – E-Services aus der Cloud?
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